Jetzt ist die Zeit: für Juggern, Segen und Gemeinschaftsgefühl

Viereinhalb Tage vollgepackt mit viel Programm – das man sich aus einer Auswahl von über 2000 Workshops, Vorträgen, Andachten und mehr erst einmal selbst zusammenstellen muss. Das erlebten jetzt zum ersten Mal Noah (17), Anna (16), Merle (16), Anne (15) und Linus (17) von der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde. Gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Mülheimer und Oberhausener Kirchenkreis hatten sie sich per Bus auf den Weg zum Kirchentag nach Nürnberg gemacht.

Programm gibt es auf der Evangelischen Großveranstaltung reichlich, alles steht unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. Neben Konzerten haben sich die Mülheimer Jugendlichen zum Beispiel auch für Workshops wie zu den „Witches of Instagram“, Life-Coaching-Influencer*innen in den sozialen Netzwerken, entschieden oder zur individuellen Segnung. Rechtzeitig anmelden muss man sich für den Escape-Room im Jugenddorf und alle zusammen sind sie zum Abend der Begegnung“ mit vielen Ständen in der Innenstadt gleich nach dem Eröffnungsgottesdienst gegangen.

Anna, Anne, Merle und Noah beim Slush-Eis im Zentrum Jugend. Sie erlebten ihre Kirchentagspremiere in Nürnberg.

Die Jugend der Markuskirchengemeinde ist sogar mit einem eigenen Angebot dabei. Mitten im Zentrum Jugend gibt es eine große Wiese, auf der sie zum Juggern einladen. Einem Mannschaftsspiel, bei dem es darum geht, den Spielball in das gegnerische Tor zu befördern. Mit langen gepolsterten Stöcken, Kenner*innen sprechen von Pompfen, können sie sich gegenseitig daran hindern, und das ganz ohne zuzuschlagen. Wer berührt wird, bleibt stehen. Das Markus-Angebot ist gut gebucht. Nach und nach lassen sich immer neu zusammengestellte Teams die Regeln erklären und legen los.

Jugger-Action mit der Markus-Jugend

Beeindruckt sind die Kirchentagsneulinge von der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde vom Gemeinschaftsgefühl, das sie in Nürnberg unter den rund 70.000 Teilnehmenden erleben. „Zum Beispiel nach dem Abendsegen“, erinnert sich Anna an ihren ersten Abend auf dem Kirchentag. „da war es eigentlich schon zu Ende, die Menschen standen aber noch auf dem Platz. Da hat eine Person ganz alleine ein Lied angestimmt, und nach und nach haben alle mitgesungen.“ Die Jugendlichen sind als Gruppe aus ihrer Gemeinde angereist „Aber man kommt ganz leicht mit vielen anderen ins Gespräch“, berichtet Linus. Auch Anne ist begeistert von der Atmosphäre: „Man kann quasi jeden hier ansprechen, es ist toll, dass die Leute so offen sind.“

Kein Slush für Nazis

Offen für Begegnung ja, aber es gibt Grenzen, und die haben die Jugendlichen klar formuliert. „Kein Slush für Nazis“ heißt es auf dem Schild vor dem Zelt, dass die Evangelischen Jugenden aus Mülheim Oberhausen und den Nachbarkirchenkreisen vom Niederrhein gemeinsam betreiben. Waldmeister und Wassermelone, Kirsch und Cola gehen weg wie … kaltes Eis bei perfektem Sommerwetter und die zahlreichen Kund*innen tragen mit ihrem bunt gefüllten Slush-Becher die farbenfrohe Botschaft durchs Zentrum Jugend. „Kein Becher für Nazis“, so steht es auf jedem Trinkgefäß, das viele als Kirchentags-Souvenir mit nach Hause nahmen.

Prominentester Slush-Eis-Kunde war Präses Thorsten Latzel, der für einen Besuch in den „rheinischen Dörfern“ im Zentrum Jugend vorbeischaute. Viel Zeit für die Abkühlung beim Eisgenuss blieb dem Kirchenchef jedoch nicht. Die Mülheimer und Oberhausener Jugend hatten einige sportliche Herausforderungen aufgebaut, so hatte Präses Latzel sich beim Eimerstapeln inklusive Sprint zum Buzzer zu beweisen ebenso wie beim Kooperationsspiel „Tower of Power“, bei dem es vor allem auf eine ruhige Hand und gute Kommunikation mit dem Mitspielenden ankam.

Den größeren Star-Appeal für die Mülheimer Jugendlichen hatten indes andere. Gemeinsam waren sie beim Konzert vom Malik Harris aus dem Kornmarkt in der Innenstadt. Und sind am Tag danach noch „richtig begeistert, wie Kirche das hingekriegt hat“. Ausdauer bewiesen sie beim Anstehen für die Podiumsdiskussion mit Luisa Neubauer. Als die Mülheimer Gruppe ankam, zeigte die Ampel in der Kirchentags-App schon rot: Veranstaltung überfüllt. Man wartete vor der Tür und wurde belohnt. „Einzeln durften wir dann nach und nach rein, immer dann, wenn jemand anderes rausging“, berichtet Anna. Vor allem die ruhige und souveräne Art der Fridays-for-Future-Repräsentantin ist Noah aus der Jugend der Vereinten Evangelischen Kirchengemeinde im Gedächtnis geblieben. „Man hat gemerkt, dass sie schon viele Podiumsdiskussionen mitgemacht hat.“ Anne bleiben die humorvollen Spitzel gegen Kanzler Scholz in Erinnerung. Noah: „Und sie hat gesagt, dass es für sie ein spezieller Ansporn ist, wenn jemand wie zum Beispiel Minister Lindner mit Kritik kommt.“

Nach jedem Veranstaltungstag geht es für die Mülheimer Gruppe zurück ins Schulquartier. Wie die meisten teilnehmenden Jugendlichen sind Anna, Anne, Merle, Linus und Noah in Klassenzimmern einquartiert, wo sie zu mehreren auf Luftmatratze und Isomatte nächtigen. „So fünf Stunden“ Schlaf mussten reichen in den ersten Nächten. Die Jugendlichen nehmen es gelassen, ebenso wie die Dusch-Situation im Quartier „nur vier Stück für alle Jungs“. Hauptsache, man ist schnell da, wo die Musik spielt, zur Innenstadt braucht die Mülheimer Gruppe eine gute Viertelstunde mit der U-Bahn.

Ob sie beim nächsten Kirchentag in Hannover wieder dabei sind? Zwei Jahre sind für die jungen Kirchentagsteilnehmenden viel Zeit, „da sind wir vermutlich mitten im Abitur“ – lohnen würde es sich das auf jeden Fall, da sind sie alle einig.

 

  • 15.6.2023
  • Annika Lante
  • Red