Rückschau und Ausblick - Superintendenten-Doppel-Interview

Die Kreissynode An der Ruhr hat am 11. November 2023 Pfarrer Michael Manz zum Superintendenten gewählt. Er folgt Superintendent Gerald Hillebrand nach, der nach sechs Jahren im Amt zum Ende des Jahres in den Ruhestand eintritt. Am Samstag, 16. Dezember, 14 Uhr, findet der feierliche Gottesdienst zur Einführung und Entpflichtung in der Petrikirche statt. Im Gespräch halten die kirchenleitenden Geistlichen aus Mülheim an der Ruhr Rückschau und Ausblick, gehen ein auf aktuelle Entwicklungen und künftige Herausforderungen der evangelischen Kirche in der Stadt.

… über Meilensteine der Arbeit im Kirchenkreis

Gerald Hillebrand: Das war sicherlich die Annäherung zu den Nachbarkirchenkreisen. Unsere Verwaltungsfusion mit Oberhausen ist beschlossen und wird Schritt für Schritt umgesetzt, auch der gemeinsame KiTa-Verband an Emscher und Ruhr wird bald die Arbeit aufnehmen. Regionalisierung ist ein wichtiges Stichwort für uns auch in der Notfallseelsorge, wo wir jetzt in der MEO-Region (Mülheim-Essen-Oberhausen) eine verbindliche Kooperation etablieren.

Michael Manz: Die Frage nach dem sinnvollen Einsatz von Ressourcen wird uns auch in Zukunft begleiten. Wir müssen einerseits schauen, wie wir die Kräfte, die wir haben, sinnvoll einsetzen, ohne einzelne Mitarbeitende über Gebühr zu beanspruchen – andererseits möchten wir ja auch weiter wahrnehmbar sein und uns in die Stadtgesellschaft einbringen.

 

… über die Positionierung von Kirche angesichts des sozialen Wandels

Gerald Hillebrand: Der demografische und der soziale Wandel stellen uns vor Herausforderungen, ohne Frage. Wir müssen anerkennen, dass die kirchliche Arbeit kein Selbstläufer mehr ist. Menschen finden nicht mehr automatisch den Weg zu uns. Auch die Pandemie hat vieles nicht leichter gemacht. Eines hat sie uns aber gezeigt: Wir sind in der Lage neue, digitale Arbeitsformen zu entwickeln – auch wenn wir in diesem Fall den externen Impuls benötigt haben.

Michael Manz: Man spricht ja viel von Tendenzen zur Individualisierung und Vereinsamung. Da sind wir als Kirche vor Ort immer noch ganz gut aufgestellt. Es kommt oft vor, dass Gemeindemitglieder von einer Person wissen, die krank ist oder gerade eine schwere Zeit hat. Dann geben sie in der Gemeinde Bescheid, damit jemand anderes dort einmal vorbeischauen kann. Das tun dann nicht nur Pfarrerinnen und Pfarrer, auch Ehrenamtliche übernehmen diese Aufgaben.

Pfarrer Gerald Hillebrand (li.) und Pfarrer Michel Manz

… über die Aufgaben, die für Kirche aktuell anstehen

Michael Manz: Wir müssen mit unseren Amtshandlugen viel stärker auf die Menschen zugehen, viel leichter zugänglich sein für diejenigen, die sich eine Taufe oder Trauung wünschen. Unser erster Aufschlag mit dem Tauffest im Raffelbergpark dieses Jahr stimmt mich optimistisch.

In den „Erprobungsräumen“ der Rheinischen Landeskirche gibt es viele ermutigende Beispiele, die zeigen, wie man auf Menschen aktiv zugehen kann. Davon können wir uns sicherlich noch ein Scheibchen abschneiden.

Gerald Hillebrand: Was tun wir als Kirche für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? An dieser Frage haben wir uns zu messen. Wir erleben, wie die soziale Schere auseinanderklafft. Bildung ist immer ein gutes Mittel, aber zu oft prekär finanziert.

Michael Manz: Soziale Gerechtigkeit, Rassismus, Antisemitismus – zu diesen Themen werden wir uns weiter einbringen – auch wenn das nicht jedem gefällt. Würden wir zu diesen Problemen schweigen, hieße das, dass wir unsere Botschaft verraten.

Gerald Hillebrand: Nicht zuletzt glaube ich, dass Seelsorge eine wichtige Aufgabe ist und bleibt. Sowohl individuell als auch für eine Gesellschaft, die manchmal Trost braucht. Wir sind diejenigen, die das anbieten können.

 

…über das die stärker werdende Rolle des Ehrenamtes

Michael Manz: Das funktioniert über die Gemeinschaft und über persönliche Begeisterung. Man sieht das ganz besonders in der Jugendarbeit. Wenn das gut gemacht wird, gibt es viele, die sich begeistern lassen und manchmal sogar Presbyterin oder Presbyter werden.

Gerald Hillebrand: Auch aus der Seelsorge ist das Ehrenamt nicht wegzudenken. Dieses Jahr haben wir den ersten Kurs für Neueinsteigende im Kirchenkreis angeboten. Seit längerer Zeit sind schön die Grünen Damen und Herren im Krankenhaus aktiv. In der Notfallseelsorge übernehmen intensiv geschulte Ehrenamtliche einen wesentlichen Teil der Dienste.

Michael Manz: Und natürlich wandeln sich auch die Wünsche der Ehrenamtlichen. Niemand kommt mehr mit der Absicht, sein 25-jähriges ehrenamtliches Dienstjubiläum in einem Arbeitsbereich zu feiern. Die Menschen arbeiten lieber projektbezogen. Sie suchen Sinn und Freiräume, in denen sie ihre Ideen verwirklichen können. Dazu sind wir als Kirche gerne da.

 

… eigene Kraftquellen

Michael Manz: Ich schöpfe Kraft daraus, wenn mir jemand, dem ich bei einer Trauung oder Taufe den Segen zugesprochen habe, sagt „Das hat mir gutgetan.“. Dann weiß ich: Da war ich am richtigen Ort. Nicht zuletzt darf ich mich in ein großes Ganzes eingebunden fühlen. Ich bin nicht allein, in einem Lied heißt das: „Bis hierher hat mich Gott gebracht“:

Gerald Hillebrand: Mir hat es immer geholfen, Teil einer größeren Dienstgemeinschaft zu sein. Zusammen etwas zu tun, verbunden zu sein mit Menschen, die einen gemeinsamen Glauben teilen, das gibt mir Kraft. Als Gottes Bodenpersonal zu arbeiten, das ist schon ganz gut.

 

… Wünsche an die Kirche der Zukunft

Michael Manz: Wir dürfen nicht in unseren Kirchen sitzen bleiben, sondern wir müssen stärker nach draußen gehen. Da haben wir noch viel Luft nach oben.

Gerald Hillebrand: Wir sollten noch viel stärker die Vernetzung suchen mit Kultur, Wissenschaft und Politik, da gibt es Schnittmengen, die wir gemeinsam fruchtbar bearbeiten können.

 

Persönliches

Pfarrer Gerald Hillebrand (67) ist seit 1993 Pfarrer in Mülheim (zunächst in Broich, seit 2011 in Broich-Saarn), seit 1999 Diakoniebeauftragter des Kirchenkreises sowie Mitglied in Kuratorium und Geschäftsleitung des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis. Pfarrer Hillebrand ist verheiratet und hat drei Kinder.

Pfarrer Michael Manz (60) ist seit 30 Jahren im Kirchenkreis An der Ruhr tätig, bis 2014 als Gemeindepfarrer in Heißen, seitdem in der Lukaskirchengemeinde. Bislang gehörte Michael Manz als Skriba dem Kreissynodalvorstand (2. Stellvertreter des Superintendenten) an. Pfarrer Manz ist Gründungsmitglied des Mülheimer Notfallseelsorgeteams und hat diesen Arbeitsbereich seit 25 Jahren auf- und ausgebaut. Pfarrer Manz ist verheiratet und hat fünf Kinder.

  • 11.12.2023
  • Annika Lante
  • Red